Kontinuität und Wandel ausländischer Direktinvestitionen in Ostmitteleuropa

Kontinuität und Wandel ausländischer Direktinvestitionen in Ostmitteleuropa

Organisatoren
Institut für Wirtschaftsforschung Halle, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Ort
Halle
Land
Deutschland
Vom - Bis
13.05.2004 - 14.05.2004
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Von
Dagmara Jajesniak-Quast, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Die ostmitteleuropäischen Länder sind im Vergleich zum Westen Europas trotz aller Entwicklungsfortschritte der letzten Jahre durch wirtschaftliche Rückständigkeit gekennzeichnet. Eine wesentliche Ursache dafür ist die schwache inländische Kapitalausstattung bzw. der Mangel an Investitionen zur Modernisierung des Kapitalstocks. Die bestehenden Entwicklungsunterschiede zeigen sich jedoch nicht erst in jüngster Zeit, sondern waren bereits kennzeichnend für die wirtschaftliche Entwicklung Europas vor dem Zweiten Weltkrieg. Damals wie heute sind die ostmitteleuropäischen Länder auf ausländische Direktinvestitionen zur technologischen und organisatorischen Modernisierung ihres Industrie- und Dienstleistungssektors angewiesen. Aus wirtschaftshistorischer und aktueller entwicklungsökonomischer Perspektive stellt sich daher die Frage, ob und inwiefern Ostmitteleuropa seit Beginn der Transformation lediglich an die Situation vor dem Zweiten Weltkrieg anknüpft oder neue Entwicklungspfade beschreitet.

Dieser Fragestellung widmete sich die internationale Tagung, auf der sich Wissenschaftler verschiedener Fachgebiete aus Deutschland, Österreich, Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn beteiligten. Dieser Expertenkreis stellte sich der anspruchsvollen und gleichzeitig schwierigen Aufgabe, die Aktivität multinationaler Unternehmen in der Region östlich der Elbe in der Zwischenkriegszeit und Gegenwart zu vergleichen. Insbesondere die entwicklungsökonomischen Impulse der ausländischen Direktinvestitionen in Polen, der Tschechoslowakei (Tschechien und Slowakei) und Ungarn wurden thematisiert. Vor allem bezüglich der Herkunft, Branchenzusammensetzung und regionalen Verteilung des ausländischen Kapitals, versuchte man die ausländischen Direktinvestitionen in diesen Ländern auf die Kontinuität und Brüche miteinander zu vergleichen.

Die Konferenz war zweitägig ausgelegt. Am ersten Tag stand die Zwischenkriegszeit (1918-1939) im Mittelpunkt der Diskussionen. Am zweiten Konferenztag wurden die ausländischen Direktinvestitionen nach der "friedlichen" Revolution des Jahres 1989 analysiert. Die konsequent am Thema geführte Moderation der Diskussion von Uwe Müller und Helga Schultz (beide Frankfurt-Oder) ermöglichte die Verbindung zwischen den beiden Zeitepochen.

Angesichts der interdisziplinären Zusammensetzung des Teilnehmerkreises stand zu Beginn des ersten Tages ein Einführungsreferat von Dagmara Jajesniak-Quast, in dem ein Überblick über die Fragestellungen und Thesen des Workshops gegeben wurde. Nach Meinung der Referentin ist das ausländische bzw. fremde Kapital historisch vorbelastet, was sich bis in die heutige Zeit auswirkt. Ein Spezifikum der historischen Entwicklung Ostmitteleuropas besteht darin, dass die Verteilung der schwachen Kapitalausstattung in den Ländern Ostmitteleuropas außerordentlich ungleich zwischen den verschiedenen Ethnien war. Dadurch kommt in Ostmitteleuropa in der Zwischenkriegszeit der zeitgenössische Begriff des "Fremdkapitals" auf. Zusätzlich zu den ausländischen Direktinvestitionen wurde hier auch das Kapital von Juden, Deutschen oder Ungarn als "Fremdkapital" bezeichnet. Auch die Akzeptanz des ausländischen Kapitals in dieser Region ist historisch bedingt und oft nach der Herkunft zu differenzieren. Neben den exogenen Faktoren, die einen Einfluss auf die Entwicklung der ausländischen Direktinvestitionen ausüben, wie die makroökonomischen Konditionen, der Grad der Aufnahmebereitschaft des ausländischen Kapitals, der Grad der Liberalisierung des Kapitalflusses, der Protektionismus des internationalen Handels und die Entwicklung des Transportes und der Kommunikationstechnologie (Geoffrey Jones), sind auf Grund der spezifischen wirtschaftlichen und soziokulturellen Entwicklungspfade der Region weitere Faktoren in die Betrachtung einzubeziehen. Das wichtigste Merkmal für die Betrachtung ist nach Jajesniak-Quast der Nationalismus und damit die Idee von den Nationalstaaten sowie deren Entstehung nach dem Ersten Weltkrieg. Erst seit dieser Zeit können die neu entstandenen Staaten Polen und Tschechoslowakei eine eigene Wirtschaftspolitik betreiben. Das "Recht auf Selbstbestimmung" wurde zum Losungswort in allen Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns. Die Ökonomie sollte wie vieles andere auch den Nationalinteressen untergeordnet werden. Der Wirtschaftsnationalismus spielte sowohl als exogene Erscheinung als auch als Teil des Nationalismus eine gewichtige Rolle im Prozess der nationalen und sozialen Integration in den Ländern Ostmitteleuropas. Die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der Nachfolgestaaten nach dem Ersten Weltkrieg wirkten sich allerdings in den unterschiedlichen Entwicklungswegen bezüglich der Umsetzung der Nostrifikationen, der Wirtschaftspolitik der Staaten, der Auswirkungen der Großen Wirtschaftskrise bis zum unterschiedlich starken Staatsinterventionismus aus, der in einigen Staaten zum Etatismus wurde. Die Tschechoslowakei bildet hier eine Ausnahme.

Fritz Weber (Wien) ging in seinem Referat auf den Zerfall der Habsburger Monarchie ein und analysierte am Beispiel des Scheiterns der Donauraum-Strategie der Wiener Banken in der Zwischenkriegszeit das Verhältnis Österreichs zu den Nachfolgestaaten. Nach dem Ersten Weltkrieg entschieden sich die Großbanken trotz der nicht zu übersehenden Anzeichen eines Wirtschaftsnationalismus in den Nachfolgestaaten für eine transnationale Strategie, d.h. die Fortsetzung der alten Orientierung auf den Donauraum unter den neuen politischen Rahmenbedingungen. Weber zeigte, dass dieser Weg nicht mit der Strategie der Länder des "Neuauslands" zu vereinen war. Bereits 1919 mussten die Banken unter dem politischen Druck der Nachfolgestaaten wichtige Teile ihres Filialnetzes, insbesondere in der Tschechoslowakei, aufgeben und ihre Zweigstellen in "nationale" Banken einbringen. Dabei verwies der Referent auf die Unterschiede zwischen den Ländern Ostmitteleuropas. Der Aspekt der unterschiedlichen Entwicklungen in der Region begleitete die ganze Tagung und zeigte, dass man nicht immer von einem homogenen Gebiet sprechen kann. In den rückständigeren Regionen wie in Jugoslawien oder in Polen, gelang es den österreichischen Banken sehr viel besser, den bestimmenden Einfluss auf die neu gegründeten nationalen Banken zu erhalten, als in den vergleichbar gut entwickelten Ländern der Region. Das lässt sich am Beispiel der Tschechoslowakei nachweisen. Thematisiert wurde auch die während der Tagung häufig diskutierte Umschichtung des Kapitals nach 1918, denn die transnationale Orientierung der Wiener Banken war nur durch ein Bündnis mit dem westlichen Finanzkapital möglich. Weber schilderte noch einen dritten Weg, über den das westliche Auslandskapital unter Vermittlung der Wiener Banken in den 1920er Jahren in den Donauraum floss. Er lag in der Gründung von Holdinggesellschaften im westlichen Ausland - insbesondere in der Schweiz und in den Niederlanden -, welche die Funktion der Kreditverteilung auf die einzelnen nationalen Gesellschaften des jeweiligen durch die neuen politischen Verhältnisse nach 1918 transnational gewordenen Konzerns übernahmen. Besonders diese Strategie der Gründung von Holdinggesellschaften in den Niederlanden erwies sich als eine gewisse Kontinuität zu der heutigen Transformation in Ostmitteleuropa. Wie am zweiten Tag der Tagung erörtert und nachgewiesen wurde, spielen Firmen aus den Niederlanden als ausländische Investoren in Ostmitteleuropa eine Vorreiterrolle. Dieser Fakt ist eindeutig auf die Hauptsitze der vielen Holdinggesellschaften, die sich aus steuerlichen Gründen in den Niederlanden befinden, zurückzuführen.

Den ersten geographischen Schwerpunkt der Tagung bildeten die Tschechoslowakei und die Slowakei in der Ersten Republik. Christoph Boyer (Frankfurt am Main) widmete sich in seinem Beitrag der Frage nach der Konkurrenz und/oder Partnerschaft zwischen dem deutschen und tschechischen Kapital in der Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit. Die Beziehungen zwischen den deutschen und tschechischen Unternehmern bezeichnete Boyer mit dem von Eduard Kubu geprägten Begriff der Konkurrenzpartnerschaft. Zwei Problemkreise, mit denen sich der Beitrag von Boyer beschäftigte, waren für die Fragestellung des Workshops von besonders großer Bedeutung: zum Ersten die Qualität bzw. die Branchenverteilung des ausländischen Kapitals und zum Zweiten die Stellung der ausländischen Investoren im Lande. Boyer konnte eindrucksvoll nachweisen, dass sich die sudetendeutsche Wirtschaft zwar auf dem Papier als ein imposantes Gebilde präsentierte; die Leichtindustrien der einheimischen Deutschen jedoch in technologischer Hinsicht antiquiert und durch ihre ungemein hohe Exportabhängigkeit höchst labil waren. Das reichsdeutsche Kapital in der CSR war hingegen in erster Linie in der Elektrotechnik, der Metallverarbeitung und der Chemie zu finden. Diese Unternehmen waren Innovationsmotoren und Modernisierer in strategischen Schlüsselpositionen, und dies wirkte sich auf die Gesamtwirtschaft aus. Des Weiteren begründete die reichsdeutsche Kapitalmacht in der CSR den mehr oder weniger starken, vor allem aber in den dreißiger Jahren keineswegs abwegigen Generalverdacht, hier werde konspirativ und mit wenig freundlichen Absichten die Fernsteuerung der tschechoslowakischen Volkswirtschaft im Dienste reichsdeutscher ökonomischer und militärischer Interessen betrieben. Auf diese Herausforderung antwortete die CSR mit einem umfangreichen wirtschaftsnationalistischen Maßnahmenbündel. Das Ziel war die Sicherung und Stärkung der nationaltschechischen Position in den "fremdbestimmten" Unternehmen der Republik. Dabei sieht Boyer den Wirtschaftsnationalismus unter den gegebenen Voraussetzungen als eine rein rationale politische Strategie an. Allerdings war eine rationale ökonomische Strategie - so Boyer´s zweite These - nur bedingt möglich. Die "Nationalisierung" konterkariert nicht notwendig und in jedem Fall die "Modernisierung" und Effizienz.

Eduard Kubu (Prag) beschäftigte sich in seinem Beitrag mit den ausländischen Direktinvestitionen in der ersten Republik und deren wirtschaftlicher Bedeutung. Der Beitrag ging von der Ausgangsposition der tschechoslowakischen Volkswirtschaft nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie aus. Die Eigentumsverhältnisse und die Struktur der ausländischen Beteiligungen in der tschechoslowakischen Industrie haben sich nach der Gründung der Republik dramatisch verändert. Das Kapital aus Wien bzw. das ungarische Budapester Kapital, das in der Industrie der böhmischen Länder bzw. der Slowakei die dominierenden einheimischen Positionen hielt, wurde durch den Zerfall der Monarchie zum ausländischen Kapital. Die große Bedeutung dieses ausländischen Kapitals wurde seitens der Politik und der staatlichen Administration als unvereinbar mit der politischen Unabhängigkeit angesehen. Die ausländischen Direktinvestitionen wurden in der Ersten Republik nicht nur als economicum sondern auch als politicum angesehen - so Kubu´s Hauptthese. Die ursprünglichen Befürchtungen von der Abhängigkeit der tschechoslowakischen Wirtschaft sind von der wirtschaftlichen Praxis nicht bestätigt worden. Kubu betonte, dass die staatliche Wirtschaftspolitik sich ohne eine bedeutende Intervention der ausländischen Kapitalgruppierungen formierte. Die Forschungen des letzten Jahrzehntes haben dies im Ganzen eindeutig bestätigt.

Das Problem der Kontinuität und des Wandels der ausländischen Direktinvestitionen im slowakischen Teil der Ersten Republik zeigte Roman Holec (Bratislava) eindrucksvoll am Beispiel Dynamit Nobel AG in Bratislava in den drei hintereinander existierenden Staatengebilden: in Ungarn (bis 1918), der Tschechoslowakei (1918-1938) und der Slowakischen Republik (1939-1945). Die Aktiengesellschaft Dynamit Nobel AG Pressburg (Bratislava) (weiter DN) gehörte zum Netz der Fabriken von Alfred Nobel, die über ganz Europa und darüber hinaus angesiedelt waren. Während des Ersten Weltkrieges erlebte DN als strategisches Unternehmen eine Welle umfangreicher Investitionen und einen dynamischen Aufschwung. Gleichzeitig aber war es als fremdes (deutsches) Unternehmen mit dem ungarischen wirtschaftlichen Nationalismus konfrontiert. Nach dem Zerfall der Monarchie fiel Bratislava mit seinen Werken an den neuen Staat - die Tschechoslowakei. Trotz des politischen Drucks und der Nostrifikation blieb DN in deutscher Hand (Dynamit AG, vorm. Alfred Nobel & Troisdorf). Holec zeigte in seinem Beitrag, was auch als ein Ergebnis der Tagung zu werten ist, nämlich dass die wirtschaftsnationalistischen Maßnahmen der neu entstandenen Staaten in Ostmitteleuropa oft ihre Wirkung verfehlten. Im Fall der Dynamit Nobel änderte der vom Staat durchgesetzte Nostifizierungsprozess nichts. Die Unternehmensleitung wurde zwar nach Bratislava verlegt, die Direktoren und Hauptvertreter des Unternehmens sicherten sich den Daueraufenthalt in der Stadt und die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft, aber die Aktien verblieben ausnahmslos in deutscher, österreichischer und ungarischer Hand. Nach München 1938 wurde Bratislava zum Zentrum des Südosteuropaausschusses der IG Farben. Umfangreiche deutsche Investitionen wurden von 1939 bis 1944 mit der Absicht getätigt, die Fabrik als Zentrum der chemischen Industrie Mittel- und Osteuropas auszubauen. Die Kriegskonjunktur und die umfangreichen Investitionen hielten jedoch nicht lange an. Die tatsächliche Agonie der Dynamitfabrik ist mit Ende 1944 datiert. Nach dem Krieg und der Verstaatlichung trat das ehemalige Unternehmen Dynamit Nobel in eine völlige neue Etappe seiner Existenz ein.

Ursprünglich war auch ein Beitrag von Màtè Botos (Piliscsaba) zum Thema der Auslandsinvestitionen in Ungarn zwischen 1920 bis 1931 geplant. Auf Grund der Erkrankung des Referenten blieb dieses Thema offen, wird aber in der folgenden Publikation mit einem zusätzlichen Beitrag von Tamas Reti (Budapest) ausgeglichen. Darüber hinaus ist ein weiterer Beitrag von Ewa Ostaszewska (Berlin) über die ausländischen Direktinvestitionen in Polen seit 1990 geplant.

Die zweite polnische Republik bildete den dritten großen geographischen Schwerpunkt des Vergleiches. Miroslaw Klusek (Kraków) betonte am Anfang seines Vortrages zum Thema der Auseinandersetzung um das Fremdkapital in Polen in der Zwischenkriegszeit, dass die Darstellung der Bedeutung des Fremdkapitals für die Wirtschaft Polens in dieser Zeit keine leichte Aufgabe sei. Die Schwierigkeit resultiert vor allem aus dem Problem der Feststellung, welches Kapital einen Fremdcharakter hatte, denn die in der Statistik verwendeten Kriterien der Bürgerschaft und der Nationalität erweisen sich hier als nicht ausreichend. Deshalb schlägt der Referent vor, als Indikator die Rolle, die das jeweilige Kapital in der Wirtschaft des Landes spielte, und damit die Art und Weise der Verbindung mit den ausländischen Dispositionszentren und die Verfügung von Erträgen in deren Interesse, zu verwenden. Klusek zeigte in seinem Beitrag, dass die Einstellung des polnischen Staates gegenüber dem ausländischen Kapital sehr wohl positiv war. Eine Ausnahme bildeten allerdings die deutschen Investoren. Der Vortrag zeigte, dass die Befürchtungen gegenüber den deutschen Investitionen nicht nur aus politischen Gründen auf die Spannungen im polnisch-deutschen Verhältnis und die immer größer werdende Kriegsgefahr, sondern auch zu einem geringen Teil auf die historischen Gegebenheiten zurückzuführen sind. Trotz der freundlichen Position der Regierung gegenüber dem ausländischen Kapital, hielt sich das Interesse der ausländischen Investoren an der polnischen Wirtschaft in Grenzen und konnte erst in den Jahren von 1924-1929 eine bessere Entwicklung nachweisen. Klusek verwies auf die großen Bemühungen der polnischen Regierung um das ausländische Kapital aus den "befreundeten" Ländern. Einige Vergünstigungen für die Investoren, die der Beitrag aufzeigte, können mit den heutigen Sonderwirtschaftszonen in Polen verglichen werden. Als Fazit betonte der Referent, dass die wirtschaftliche Lage, in der sich Polen in der Zwischenkriegszeit befand, das Land zwang, sich auf ausländisches und fremdes Kapital zu stützen. Ohne die Öffnung des polnischen Marktes für ausländisches Kapital wäre nicht nur die Beschleunigung der ökonomischen Entwicklung, sondern das Funktionieren der gesamten polnischen Wirtschaft in Frage gestellt gewesen. Die polnische Bevölkerung bemerkte die Modernisierungsrolle des ausländischen Kapitals kaum, warf aber vor allem in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre den ausländischen Unternehmen vor, dass sich die Investitionen hauptsächlich auf den Kauf von Aktien bestehender Betriebe konzentrierte und nur die hohen und schnellen Gewinne zum Ziel hätten. Die Enttäuschung der polnischen Bevölkerung gegenüber dem ausländischen Kapital resultierte vor allem aus zu großen Erwartungen. Klusek stellt fest, dass sich diese Art der Wahrnehmung von ausländischem Kapital mit der heutigen Einschätzung in Polen deckt.

Das zweite Referat in dieser Sektion, von Katarzyna Shannon (Warschau), konzentrierte sich auf die polnische Region Ost-Oberschlesien und untersuchte die Positionen der oberschlesischen Unternehmer gegen den Etatismus und Wirtschaftsnationalismus. Der Staat übernahm oft die Rolle des Investors in Polen in der Zwischenkriegszeit. In den 1930er Jahren artete der Staatsinterventionismus in Etatismus aus. In Oberschlesien war vor allem Wojewode Michal Grazynski vom linken Flügel Sanacja "Naprawiacze" der bekannteste Vertreter der wirtschaftsnationalistischen und syndikalistischen Ideen. Das Ziel seiner Politik war die Polonisierung der, vorwiegend im deutschen Besitz verbliebenen, Industrie. Den größten Verdienst hat Shannons Beitrag in der Betrachtung des unternehmerischen Standpunktes, der in der bisherigen polnischen Historiographie zum Thema Etatismus kaum berücksichtigt wurde. Die bisherige These in der polnischen Wirtschaftsgeschichte ging von ausschließlich feindlichen Attitüden der deutschen Industriellen gegenüber dem polnischen Staat aus. Shannon falsifiziert mit ihrer Untersuchung des Verhaltens des Oberschlesischen Berg- und Hüttenmännischen Vereins (Arbeitsgeberverband) und deren Akteuren gegenüber der Zentralregierung in Warschau diese These. Die Referentin wies auf die Lobbyarbeit des Vereins bei Behörden in Warschau und die Vernetzung zwischen Wirtschaft und Politik hin, um ein besseres Verständnis für die Interessen der oberschlesischen Industrie zu erzielen. Die Untersuchung zeigte, dass die Unternehmer primär nach dem Prinzip "business first" agierten. Das Denken in nationalen Kategorien war hingegen eher zweitrangig. Durch den radikalen Nationalismus Grazynskis, nicht nur den Wirtschaftskreisen gegenüber, eskalierten allerdings die Beziehungen zwischen Deutschen, Juden und Polen in der Region.

Das letzte Referat des ersten Tages von Klaus Heller (Gießen) war ein Exkurs zum Thema der ausländischen, insbesondere der deutschen Investitionen in Russland vor und nach 1917 und deren politische und ideologischen Aspekte. Das Problem ausländischer Investitionen in Russlands Wirtschaft und die damit angeblich verbundene Gefahr einer wachsenden Abhängigkeit vom westlichen Einfluss gehört in Russland, ähnlich wie in den Nachfolgerstaaten Österreich-Ungarns, seit jeher zu den Gemeinplätzen öffentlicher wie privater Bewertung jeglicher ökonomischer Aktivitäten von Fremden im eigenen Lande. Zu keinem Zeitpunkt sei es aber zu einer solchen Abhängigkeit Russlands vom Westen gekommen. Die Rolle des ausländischen Kapitals habe sich nur darauf beschränkt, im Verlauf der forcierten Industrialisierung Russlands seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert gewisse soziale und ökonomische Nachteile auszugleichen, die sich aus dem eigenen autokratischen System ergeben hätten, um das Land in allen Bereichen seiner Volkswirtschaft auf Wachstumskurs zu bringen. In Russland blieb eine Grundtendenz der voreingenommenen Politik gegenüber ausländischen Aktiengesellschaften bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs erhalten, d.h. der Staat begünstigte zwar den Zustrom ausländischen Kapitals, aber nicht unbedingt die Tätigkeit ausländischer Aktiengesellschaften im eigenen Land. Aber auch in der Öffentlichkeit nahmen die Ressentiments gegenüber der ausländischen Investitionstätigkeit nach der Revolution von 1905 in Russland zu. Vor allem wurde immer wieder die "Russifizierung" der ausländischen, insbesondere der deutschen Unternehmen auf russischem Boden von der "rechten" Presse gefordert. Manche Unternehmer hatten Russland deshalb bereits wieder verlassen bzw. die Intention, in Russland zu investieren, wieder aufgegeben, bevor im Zusammenhang mit dem Kriegsausbruch Nationalisierungen und Konfiszierungen einsetzten.

Jutta Günther (Halle) lieferte als erste Referentin des zweiten Tages eine Einführung in den Verlauf der Direktinvestitionstätigkeit in Ostmitteleuropa seit 1990 und damit einen Einblick in die Perspektiven für die Empfängerländer. Günther führte ein Problem vor Augen, das schon die Wirtschaftshistoriker für die Zwischenkriegszeit bedauerten, nämlich die Probleme der statistischen Erfassung der ausländischen Direktinvestitionen (ADI) und deren Vergleich. Seit dem Beginn der Transformation stehen zwar "bessere" Statistiken zur Verfügung; allerdings ist die breite Erfassung von ADI auch heute keineswegs frei von Problemen. Das gilt vor allem für die internationale Vergleichbarkeit von Daten, da die Kriterien zur Erfassung in der Praxis nicht einheitlich gehandhabt werden und in den einzelnen Ländern in der Vergangenheit auch immer wieder Änderungen unterlagen. Auf Basis der vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche regelmäßig publizierten Zahlen stellte Günther die Entwicklung der ADI ländervergleichend für Ungarn, Tschechien und Polen dar. Dabei wurde deutlich, dass die Zunahme ausländischer Direktinvestitionen sich seit 1990 in den ostmitteleuropäischen Ländern unterschiedlich schnell vollzog. Günther betonte, dass wesentlich wichtiger als die Quantität der ADI, die von den im Gastland etablierten Tochtergesellschaften ausgehenden Impulse für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung seien. Dabei kommt vor allem dem Aspekt des Technologietransfers eine zentrale Bedeutung zu. Belege für das Vorhandensein von Technologie-Spillovers zugunsten einheimischer Unternehmen sind hingegen alles andere als eindeutig. Die Mehrzahl der in jüngster Zeit durchgeführten ökonometrischen Spillover-Untersuchungen weisen für die Transformationsländer keine (oder sogar negative) Produktivitätseffekte für die einheimischen Unternehmen nach. Wichtiger als die Fokussierung auf ADI als Träger technologischer Entwicklungen erscheint nach Günther die Stärkung des nationalen Innovationssystems, welches die technologische Leistungsfähigkeit einheimischer Unternehmen fördert, ausländische Investoren integriert und beide mit den einheimischen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen vernetzt.

Gábor Hunya (Wien) übernahm das Thema der Auswirkungen ausländischer Direktinvestitionen auf Wachstum und Umstrukturierung in Ostmitteleuropa seit 1989. Dabei stellte Hunya fest, dass, obwohl die Öffnung der ostmittlereuropäischen Länder Ende der 1980er Jahre sich in der Zeit der weltweiten Ausdehnung von grenzüberschreitenden Investitionen vollzog, Ostmitteleuropa in diesem Prozess mit 2-4% der weltweiten ADI eine marginale Rolle spielt. Eine der Thesen von Hunya ist, dass vor allem die direkten Einflüsse der ADI, wie der Beitrag zu Kapitalbildung, Know-how und Technologie eine Schlüsselrolle in den Transformationsländern spielten. Besonders die Privatisierung und rasche Umstrukturierung wären unter Einbeziehung des einheimischen Eigentums viel langsamer vonstatten gegangen. Gleichzeitig betonte Hunya, dass die Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes (BIP) kaum mit dem zugeflossenen ADI korreliert, denn auch der slowenische Weg mit einer strengen Kapitalkontrolle war nicht wachstumshemmend. Der Einfluss der Wirtschaftspolitik der Länder ist nach Hunyas Meinung nicht zu unterschätzen. Länder mit instabiler Währung oder verzögerter Privatisierung bekamen wesentlich weniger ADI oder konnten erst später Investoren heranziehen. Die Beitrittsländer unterschieden sich diesbezüglich nicht nur untereinander, sondern auch von Südosteuropa. Die staatliche Förderung von ADI war in der ersten Hälfte der 1990er Jahre vor allem in Ungarn ausgeprägt. Am Ende des vorigen Jahrzehntes konnten Tschechien und Slowakei in der Entwicklung stark aufholen. Dieser Fakt spiegelt sich in den Statistiken der ADI-Zuflüsse wieder. Dabei stellt Hunya fest, dass die ADI allgemein zu fördern, nicht mehr notwendig sei. Dagegen gewinnen technologischer Fortschritt und Spillovers an Bedeutung und benötigen eine zielgerichtete Förderung.

Der erste Tag der Tagung zeigte, dass für die Zwischenkriegszeit die Tschechoslowakei in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme im ostmitteleuropäischen Entwicklungspfad darstellte. Ungarn übernahm dagegen eine Vorreiterrolle, wenn es um den Zufluss der ADI während der marktwirtschaftlichen Transformation in Ostmitteleuropa ging. Das wurde am zweiten Tag des Workshops eindrucksvoll nachgewiesen. Mit dem Einfluss der ausländischen Direktinvestitionen auf die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns beschäftigte sich das Referat von Ádám Török (Veszprém). Seine wirtschaftspolitischen und betriebswirtschaftlichen Überlegungen zeigten, dass die Modernisierung der Wirtschaft schon in den 1980er Jahren in einem geringen Ausmaß auf Joint Ventures beruhte. Die in der ersten Hälfte der 1990er Jahre mit den ausländischen Direktinvestitionen in Ungarn erschienenen Firmen haben zur Leistungsverbesserung der Volkswirtschaft wesentlich beigetragen. Der Aufschwung der ungarischen Exporte ist in großem Ausmaß diesen Firmen in ausländischem Besitz zu verdanken; ebenso ist eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Industriegüterexporte nachweisbar.

Das tschechische Beispiel der Auswirkungen ausländischer Direktinvestitionen auf die Umstrukturierung der Industrie stellte Alena Zemplinerova (Prag) vor. Die Referentin betonte, dass nicht nur die Quantität, sondern vor allem die Struktur der ADI einen hohen Einfluss auf die positiven Effekte in der lokalen Wirtschaft hat. Die ökonometrische Analyse Zemplinerovas basierte auf der Zeitperiode zwischen 1993 und 2002 und konzentrierte sich auf Wachstum, Technologie, Produktivität, Löhne und Wandel in der Produktionsstruktur der tschechischen Industrie. Die Hypothese von Zemplinerova ist, dass die ausländischen Firmen einen viel höheren Katalysatoreffekt in dem Catching-up-Prozess und in der Transformation der Industriestrukturen haben, als dies in den entwickelten westlichen Volkswirtschaften der Fall ist. Allerdings zeigte der Beitrag, dass in Tschechien ein Unterschied in dem zeitlichen Verlauf dieses Prozesses zu beobachten ist. Bis 1998 verfolgte die tschechische Regierung eine Politik des Protektionismus der einheimischen Investoren mit dem Ziel, ein einheimisches Unternehmertum zu schaffen, was sich auch in der Statistik widerspiegelt. Das dies nicht wie erhofft hohe Effekte brachte, verdeutlicht der Fakt, dass die ADI heute einen über 50%igen Anteil an der Zahl aller Unternehmen in Tschechien tragen.

Mit der Rolle der ausländischen Investoren in Polen beschäftigte sich der Beitrag von Tomasz Kalinowski (Berlin). Anhand der neuesten Literatur zum Thema sowie auf Basis von Gesprächen mit den Investoren in Polen analysierte Kalinowski vor allem das deutsch-polnische Verhältnis im ADI-Bereich. Darüber hinaus ging der Beitrag auf die Rolle der Faktorkosten bei den Investitionsentscheidungen sowie die Konsequenzen der ADI für den polnischen und deutschen Arbeitsmarkt ein. Kalinowski beugte in seiner Argumentation der Meinung vor, dass die Investitionen deutscher Firmen in Ostmitteleuropa auf Kosten deutscher Arbeitsplätze entstünden. Bei der Analyse der Herkunftsländer zeigte Kalinowski, dass sich Ende 2003 auf dem Ranking der wichtigsten Investoren in Polen Frankreich vor den Niederlanden, USA, Deutschland und Italien befand. Anhand einer Umfrage zeigte der Referent, dass für die Entscheidung über die Aktivität der ausländischen Investoren in Polen sowohl kosten- als auch marktorientierte Motive von großer Bedeutung sind. Zum Schluss äußerte sich Kalinowski kritisch über die sogenannte "Steuerdumping-Debatte" gegenüber den Beitrittsländern, die insbesondere durch Deutschland initiiert wurde. Gegenüber der Forderung der Einführung von Mindeststeuersätzen bei den direkten Steuern argumentierte der Referent, dass diese in der Begründung falsch, ökonomisch nicht zu vertreten und politisch nicht durchsetzbar sei.

István Fekete (Budapest) zeigte in seinem Beitrag die Strategien von multinationalen Unternehmen in Ostmitteleuropa aus der Praxis. Nirgendwo waren bzw. sind die ausländischen Unternehmen an der wirtschaftlichen Tätigkeit so stark beteiligt wie in Ungarn. Feketes Zahlen bestätigen diesen Fakt, denn der Anteil der ADI ist mit 90% an Investitionen, mit 80% am Export, mit 55% an der Bruttowertschöpfung und mit 50% am Gesellschaftssteueraufkommen sehr hoch. Die multinationalen Unternehmen haben einen fast 30%igen Anteil an der Zahl der Beschäftigten in Ungarn. Neben den allgemein bekannten Investitionsfaktoren, wie die Größe des Zielmarktes oder das Einkommensniveau, betonte Fekete die Bedeutung der qualitativen und "weichen" Faktoren, die nicht zu unterschätzen sind. Die kulturellen Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede, die Lebensqualität vor Ort in Form von vorhandenen Unterkünften, Schulen, Umwelt oder kulturellem Angebot wurden dabei besonders berücksichtigt. Fekete ging in seinem Beitrag auch auf das sogenannte "IBM-Syndrom" in Ungarn, d.h. die Verlagerung der Produktionsstandorte von ausländischen Firmen aus Ungarn, vorwiegend nach China, ein. Darüber hinaus ging der Referent auf die Schwäche und Stärken Ostmitteleuropas als Bezugsregion für die ADI ein und betonte, dass nach wie vor die Akzeptanz der ADI in der Bevölkerung zu wünschen übrig lässt. Ein Teil der Gesellschaft lehnt ausländisches Kapital ab. Die häufigste Kritik an den multinationalen Unternehmen sei die Nichteinhaltung der Umweltauflagen, die aggressive bzw. verleumderische Werbung, die Verdrängung preiswerter Produkte, der Abbau von Arbeitsplätzen und Abzug der Gewinne, inklusive des Transfers ins Ausland.

Speziell mit der Akzeptanz ausländischer Direktinvestitionen in Ostmitteleuropa beschäftigte sich Roland Döhrn (Essen). Döhrn stellt fest, dass die Akzeptanz fördernd wirkt, dass ausländische Investoren wirtschaftlich erfolgreicher sind als einheimische Unternehmen und deshalb auch höhere Arbeitsentgelte zahlen, und dass dies mit positiven Wirkungen für die gesamte Volkswirtschaft verbunden sei. Negativ wirkt sich aus, dass der Beitrag ausländischer Unternehmen zur Wirtschaftsleistung in vielen Ländern derart groß ist, dass Ängste vor einer Fremdbestimmung zwangsläufig aufkommen. Zum wiederholten Mal kommt auch im Beitrag von Döhrn eines der Ergebnisse der Tagung verstärkt zum Ausdruck, dass Spillovers im Rest der Wirtschaft bislang gering sind, so dass die Unterschiede zwischen ausländischen und heimischen Unternehmen noch zunehmen. Die ausländischen Investitionen konzentrieren sich auf vergleichsweise wenige Regionen, wodurch sich die regionalen Disparitäten vergrößern. Inwieweit dies zu Akzeptanzproblemen führt, hängt allerdings zum einen von den Erwartungen ab, die die Öffentlichkeit an ausländische Investoren knüpft, zum anderen vom makroökonomischen Umfeld. Bei einer allgemein günstigen wirtschaftlichen Entwicklung wird die Frage der Akzeptanz in den Hintergrund gedrängt.

Mit der räumlichen Verteilung der Aktivitäten der multinationalen Unternehmen in Ostmitteleuropa beschäftigt sich der letzte Beitrag der Tagung von Farid Toubal (Kiel). Toubal hinterfragte die Motivation der Aktivitäten von multinationalen Unternehmen. Welche makroökonomischen und geographischen Faktoren haben Einfluss auf die Entscheidungen von ausländischen Investoren in Ostmitteleuropa? Schließlich die Frage: Welche Wirkung hat die Erweiterung der Europäischen Union auf die Aktivitäten der ADI in Ostmitteleuropa? Toubal stellte fest, dass sich durch die EU-Erweiterung die Marktmöglichkeiten der ostmitteleuropäischen Länder allein durch den Wegfall der Zolltarife erweiterten. Die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen und die Stärkung der Rolle von politischen und gesellschaftlichen Institutionen hatten bislang einen positiven Einfluss auf die Geschäfte der multinationalen Unternehmen. Langfristig ist daher die Angleichung der noch bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West zu erwarten.

Fazit der Tagung
In der Abschlussdiskussion wurde die Frage der Kontinuität bzw. der Diskontinuität ausländischer Direktinvestitionen eingehend behandelt. Die Mehrzahl der Workshopteilnehmer interpretierte die in den Vorträgen dargestellten Entwicklungen als eine Diskontinuität. Zwar gibt es Kontinuitäten hinsichtlich der Herkunftsländer ausländischer Investitionen, zum Beispiel die starke Rolle des französischen Kapitals in Polen und der österreichischen Investitionen in Tschechien und Ungarn, aber an vielen anderen Aspekten wurde zugleich deutlich, dass sich die Situation heute erheblich von der Zwischenkriegszeit unterscheidet. Zu den radikalsten Brüchen der Entwicklung der multinationalen Firmen in dieser Region gehören die beiden Weltkriege und die sozialistische Periode. Der Rückgang des Anteils von ADI in Osteuropa von 10% im Jahre 1914 auf 3% nach 1990 ist nur ein Indikator dieser Diskontinuitäten. Eine mögliche Folge dieser Diskontinuität könnte sein, dass die Region Ostmitteleuropas sich erneut zur Peripherie Westeuropas entwickelt. Der regionale Ausgleich stand schon in sozialistischen Zeiten ökonomisch auf wackligen Füßen. Die neuen Polarisierungen sind somit eigentlich bekannt, wurden bisher aber nur verdeckt und nicht nachhaltig "wegentwickelt". Die ausländischen Direktinvestitionen sind dabei kein Allheilmittel, um der peripheren Lage zu entkommen, denn es gibt keine großen Wachstumsunterschiede zwischen Ländern mit sehr unterschiedlichen ADI-Zuflüssen. Um diese Situation zu überwinden, ist mehr Kreativität gefordert.

In der Zwischenkriegszeit bestand das Problem des Wirtschaftsnationalismus viel stärker als heute. Die Unternehmensstrategien waren eher an nationale und politische Strategien gekoppelt als in der Zeit nach 1990. Heute tritt die nationale Etikettierung immer mehr in den Hintergrund. Das Kapital war in den 1920er/1930ern stärker von Staatsverträgen und Vereinbarungen abhängig. Heute entscheiden eher betriebwirtschaftliche Entscheidungen über die Realisierung von Investitionen. Einige Kontinuitäten, vor allem von Feindbildern und Mythen in Bezug auf das ausländische Kapital (z.B. in Polen die ständige Angst vor dem großen Nachbarn Deutschland) wurden dennoch durch die einzelnen Tagungsbeiträge sichtbar. Die reale Rolle dieser Kontinuitäten ist oft sehr unterschiedlich und schwer zu erfassen. Fest steht aber, dass die Akzeptanz der ADI oft aus der Geschichte und nicht aus der heutigen Entwicklung resultiert. Überhaupt ist die Frage nach der Auswirkung des Wirtschaftsnationalismus als spezifischer Entwicklungsweg Ostmitteleuropas auf die tatsächliche Entwicklung der ADI zu hinterfragen. Die Unterschiede zwischen dem "guten" und dem "bösen" ausländischen Kapital, die in Ostmitteleuropa gemacht werden, sind nicht zu unterschätzen.

Die Tagung hat auch gezeigt, dass die Rolle der ADI in der Region viel größer ist, als dies der 2,4%ige Anteil dieser Region an den weltweiten ADI vermuten lässt. Einige Branchen und Sektoren, die der Forschung und Entwicklung sowie strategische Sektoren wie die Bank- und Versicherungsbranche, befinden sich fast ausschließlich in "ausländischen" Händen.

Hervorzuheben ist die als ausgesprochen gelungen zu bezeichnende Diskussion zwischen den beiden "Lagern" des Workshops, das heißt Historikern einerseits und Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern andererseits. Die von den Organisatorinnen des Workshops geplante Herausgabe eines gemeinsamen Buches stieß auf ein großes Interesse und dürfte zu einer interdisziplinären Vernetzung führen.

Kontakt

Dipl.-Kauffr. Dagmara Jajesniak-Quast
Europa-Universität Viadrina
Forschungsstelle Wirtschafts- und
Sozialgeschichte Ostmitteleuropas
Grosse Scharrnstraße 59
15230 Frankfurt (Oder)
Telefon: + 49 (0) 335 5534-2487
Fax: + 49 (0) 335 5534-2613
E-Mail: jajesniak-quast@euv-frankfurt-o.de
http://www.wsgn.uni-ffo.de

Dr. Jutta Günther
Institut für Wirtschaftsforschung Halle
Kleine Märkerstr. 8
06108 Halle (Saale)
Tel.: 0345 – 77 53 708
Fax: 0345 – 77 53 820
Email: Jutta.Guenther@iwh-halle.de
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